ThyssenKrupp-Aktie: Bewertungsfalle oder unterschätztes Potenzial?

Die Aktie von ThyssenKrupp erlebte am Montag einen spektakulären Kurssprung von 21 Prozent. Drei zentrale Faktoren haben diese Mega-Rallye ausgelöst: der geplante Börsengang der Marinesparte, die starke Nachfrage nach Rüstungswerten sowie der positive Ausblick aus den jüngsten Quartalszahlen. 

Die kurzfristige Rallye zeigt das Potenzial des Marine-IPO, doch langfristig muss ThyssenKrupp seine Profitabilität nachhaltig verbessern, um die Wende zu schaffen. Investoren sollten genau beobachten, ob der Konzern die Neuausrichtung erfolgreich umsetzen kann – oder ob die Euphorie nur von kurzer Dauer ist.

Wie ThyssenKrupp sich neu aufstellt

ThyssenKrupp plant den Börsengang seiner U-Boot-Sparte „ThyssenKrupp Marine Systems” (TKMS) – und der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein. Geopolitische Spannungen und steigende Verteidigungsbudgets treiben die Nachfrage nach Rüstungsgütern in die Höhe. Als Lieferant von 70 Prozent der nicht-nuklearen U-Boote der NATO könnte TKMS eine attraktive Bewertung erzielen und neue Investoren anziehen. Der Börsengang würde zudem helfen, ThyssenKrupp strategisch neu auszurichten und den Konzern von seiner Stahlabhängigkeit zu lösen.

Auftragseingang boomt, Umsatz unter Druck

ThyssenKrupp hat in der vergangenen Woche die Zahlen für das vierte Quartal 2024 veröffentlicht. Während die Ergebnisse gemischt ausfielen, überzeugt der positive Ausblick.

Besonders hervorzuheben ist der starke Anstieg des Auftragseingangs um 50 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro. Hauptgrund für dieses Wachstum war ein Großauftrag im Marinebereich, der das Geschäft deutlich belebte. Gleichzeitig erwartet das Unternehmen eine Rückkehr in die Gewinnzone und prognostiziert für das Geschäftsjahr 2024/25 einen Überschuss zwischen 100 und 500 Millionen Euro. Auch der Free Cashflow vor M&A soll sich auf bis zu 300 Millionen Euro verbessern.

Allerdings blieb die Umsatzentwicklung hinter den Erwartungen zurück. Der Umsatz sank um vier Prozent auf 7,8 Milliarden Euro, bedingt durch Preisrückgänge und eine schwächere Nachfrage in wichtigen Geschäftsbereichen. Trotz dieser Rückgänge konnte das bereinigte EBIT um 127 Prozent auf 191 Millionen Euro gesteigert werden, was vor allem auf Kostensenkungen im Stahlsegment zurückzuführen ist.

Die Quartalszahlen zeigen eine zweigeteilte Entwicklung: Während die Umsatzrückgänge Herausforderungen darstellen, sorgt das starke Marinegeschäft für deutlichen Rückenwind. Die Kosteneinsparungen im Stahlsegment tragen zudem zur Verbesserung der Profitabilität bei. Entscheidend wird sein, ob sich der positive Trend im Marinebereich fortsetzt und die Nachfrage in den anderen Geschäftsbereichen stabilisiert.

Welche Segmente haben Potenzial?

ThyssenKrupp ist ein breit aufgestellter Industriekonzern mit Aktivitäten in den Bereichen Stahl, Anlagenbau, Automobilzulieferung und Marine. Daher stehen sie in verschiedenen Segmenten im Wettbewerb mit globalen und regionalen Unternehmen.

Die Stahlindustrie steht an einem Wendepunkt. Während steigende Energiepreise, Regulierung und globaler Wettbewerb Herausforderungen darstellen, bieten Dekarbonisierung, Infrastrukturprojekte und neue Technologien große Chancen. Wer in grüne Stahlproduktion, digitale Prozesse und innovative Werkstoffe investiert, könnte langfristig als Gewinner aus dem Wandel hervorgehen. Konkurrenten: ArcelorMittal, Tata Steel, Salzgitter AG, Nippon Steel. 

Der Anlagenbau & Industriegütersektor profitiert von Industrie 4.0, Infrastrukturinvestitionen und nachhaltigen Technologien, muss sich aber gegen steigende Kosten, geopolitische Unsicherheiten und Fachkräftemangel behaupten. Unternehmen, die in Digitalisierung, Automatisierung und nachhaltige Technologien investieren, könnten langfristig die Gewinner sein. Konkurrenten: Siemens, General Electric, ABB, Fluor Corporation.

Die Automobilzulieferbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel, getrieben durch Elektromobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wer sich frühzeitig auf Software, Halbleiter, Batterietechnologie und Leichtbaumaterialien spezialisiert, hat Wachstumschancen. Gleichzeitig bleiben hohe Kosten, regulatorische Hürden und geopolitische Risiken Herausforderungen, die Zulieferer aktiv managen müssen. Konkurrenten: Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen. 

Die Rüstungs- und Marineindustrie profitiert von steigenden Verteidigungsbudgets und neuen Technologien, steht aber vor Herausforderungen wie Exportbeschränkungen, langen Entwicklungszyklen und politischen Unsicherheiten. Unternehmen, die in Drohnen, Cyberabwehr, KI und autonome Systeme investieren, könnten langfristig die Gewinner der Branche sein. Konkurrenten: Naval Group, BAE Systems, HDW. 

Die Dekarbonisierungsbranche wächst durch steigende Nachfrage nach CO₂-Reduktion, Wasserstofflösungen und Energieeffizienz. Politische Förderungen und technologische Fortschritte bieten Chancen, doch hohe Investitionskosten, regulatorische Unsicherheiten und starker Wettbewerb bleiben Risiken. Unternehmen mit innovativen Lösungen und klarer Strategie könnten langfristig profitieren. Konkurrenten: Siemens Energy, General Electric, ABB, ArcelorMittal.

Entscheidende Widerstandszone in Sicht

Die Aktie stieg am Montag um 21 Prozent auf 5,64 Euro und erreichte damit den höchsten Stand seit über einem Jahr – ein außergewöhnlicher Kurssprung.

Noch im September markierte die Aktie ein Rekordtief bei 2,76 Euro, seither hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. Kurzfristig läuft es gut, doch langfristig bleibt noch viel aufzuholen. Trotz der jüngsten Erholung beträgt der Abstand zum Rekordhoch weiterhin fast 90 Prozent.

Die Widerstandszone zwischen 7,50 und 7,75 Euro bleibt der entscheidende Prüfstein. In der Vergangenheit scheiterten die Käufer mehrfach an diesem Niveau. Ein nachhaltiger Ausbruch darüber könnte den Weg für einen neuen Aufwärtstrend ebnen – andernfalls könnte eine neue Verkaufswelle drohen.

ThyssenKrupp im Wochenchart. Quelle: eToro, TradingView

Günstige Bewertung, aber operative Schwächen bleiben

ThyssenKrupp mag auf den ersten Blick günstig bewertet erscheinen, doch die Fundamentaldaten offenbaren erhebliche Herausforderungen. Besonders problematisch ist die niedrige EBIT-Marge.

Die EBIT-Marge von 0,4 Prozent signalisiert hohe Kosten, geringe Effizienz oder strukturelle Probleme. Zum Vergleich: Industrieunternehmen erzielen typischerweise 5 bis 15 Prozent, während Tech-Konzerne oft über 20 Prozent liegen. Diese geringe Profitabilität wirft Fragen zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit auf.

Das Forward-KGV von 8,5 erscheint zwar niedrig, könnte aber gleichzeitig die schwachen Wachstumsaussichten und die hohen Risiken des Unternehmens reflektieren. Eine solche Bewertung ist nur günstig, wenn das Unternehmen operativ überzeugend ist.

Mit einer Dividendenrendite von 3,2 Prozent bietet Thyssenkrupp eine solide, aber nicht überragende Ausschüttung. Viele Versorger oder Banken zahlen höhere Renditen. Entscheidend ist, ob das Unternehmen sich diese Ausschüttung langfristig leisten kann – insbesondere angesichts einer EBIT-Marge nahe Null.

Eine Wette auf den Turnaround

Der geplante Marine-IPO könnte ThyssenKrupp strategisch neu ausrichten und frisches Kapital bringen. Die starke Auftragslage im Marinebereich zeigt Potenzial, doch schwache Margen und stagnierende Kernsegmente bleiben eine Herausforderung.

Trotz der jüngsten Kursrallye ist der Abstand zum Rekordhoch groß. Entscheidend wird sein, ob das Unternehmen die Effizienz steigert, das Marinegeschäft erfolgreich abspaltet und neue Wachstumschancen nutzt. Für Anleger bleibt die Aktie eine Turnaround-Wette – mit Chancen, aber auch Risiken. Ohne deutliche Margenverbesserung droht die günstige Bewertung zur Value Trap zu werden.

 

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