Die EU-Kommission und die künftige Bundesregierung in Deutschland planen massive Investitionen, die den Euro stärken, die Anleihemärkte erschüttern und Rüstungsaktien auf neue Höhen treiben. Doch ist das der Beginn nachhaltigen Wachstums – oder der Auftakt zu einer unkontrollierten Verschuldungsspirale? Welche Unternehmen könnten profitieren, und wo lauern die größten Risiken?
Der Markt bewertet den Euro neu
Der Euro knüpft in dieser Woche an die starken Gewinne der Vorwoche an. Am Dienstag stieg das Währungspaar EUR/USD erstmals seit November über die 1,09er-Marke. Zuvor hatte der Kurs in nur einer Woche einen Sprung von unter 1,04 auf über 1,08 hingelegt – ein Anstieg von 4,4 Prozent und der stärkste Wochengewinn seit Jahren.
Die plötzliche Euphorie rund um den Euro hat einen klaren Auslöser: Europa setzt verstärkt auf eine neue Investitionsstrategie, insbesondere im Verteidigungssektor, um das Wachstum anzukurbeln. Das verschafft dem Euro zusätzlichen Rückenwind. Noch vor Kurzem wurde befürchtet, dass der „Trump-Trade“ das EUR/USD-Paar wieder in Richtung Parität drückt – doch diese Sorgen sind vorerst vom Tisch.
EURUSD im Wochenchart. Quelle: eToro, TradingView
Fiskalpolitischer Kurswechsel
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plant, bis zu 800 Milliarden Euro zu mobilisieren, um die Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken und die Ukraine weiter zu unterstützen. Gleichzeitig haben sich Union (CDU/CSU) und SPD, die sich derzeit in Koalitionsverhandlungen für die neue Bundesregierung befinden, auf einen Sonderfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Modernisierung der Infrastruktur geeinigt. Zusätzlich wollen die beiden Parteien die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben lockern.
Diese Maßnahmen markieren eine fundamentale Kehrtwende in der europäischen und deutschen Finanzpolitik. Die Schuldenbremse in Deutschland, die bisher strikte Haushaltsdisziplin vorschrieb, soll nun gelockert werden – ein radikaler Kurswechsel, den der CDU-Chef Friedrich Merz vor der Wahl noch strikt abgelehnt hatte. Nun folgt die 180-Grad-Wende mit dem Motto: „Whatever it takes“ für die Verteidigung.
Während einige die neuen Schulden als notwendig zur Sicherung von Freiheit und Frieden sehen, warnen Wirtschaftsexperten vor einem unkontrollierten Schuldenexzess. Viele Wähler fühlen sich hintergangen, und die Frage bleibt, ob dieser finanzpolitische Kurs nachhaltig tragfähig ist – oder Europa auf eine neue Schuldenkrise zusteuert.
Die Grünen müssen mitspielen
Die Pläne für höhere Schulden müssen vom alten Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit genehmigt werden – das bedeutet, Union und SPD sind auf die Zustimmung der Grünen angewiesen. Doch die Grünen stellten am Montag klar, dass sie dem Finanzpaket nicht zustimmen werden und stattdessen diese Woche einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Ein Sondervermögen für die Infrastruktur scheint darin jedoch nicht vorgesehen zu sein. Weitere Gespräche – auch mit der FDP – sind angesetzt, um eine Annäherung zu erreichen. Eigentlich sollten die Grundgesetzänderungen am Donnerstag ins Plenum eingebracht und bis zum 18. März beschlossen werden – doch das bleibt ungewiss.
Mehr Infrastrukturinvestitionen bedeuten auch Unterstützung für grüne Energieprojekte, was eigentlich im Interesse der Grünen liegen dürfte. Deutschland hat mehrere Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien, darunter Siemens Energy (DAX) sowie Mid- und Small-Caps wie SMA Solar Technology, Encavis, PNE und Nordex. Im Bereich Bau und Infrastruktur stehen vor allem Heidelberg Materials, Hochtief, Vossloh und INDUS Holding im Fokus.
Turbulenzen am Anleihemarkt
Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen wird am Dienstag bei 2,87 Prozent gehandelt, nachdem sie in der Vorwoche von 2,39 Prozent auf 2,85 Prozent gestiegen war – der stärkste Anstieg seit Jahren. Die kurzfristige Marktberuhigung deutet darauf hin, dass sich die Lage nach dem plötzlichen Renditeschub wieder normalisiert.
Der massive Anstieg der Renditen zeigt, dass Investoren höhere Risikoaufschläge für die steigende Staatsverschuldung fordern. Anleger am Anleihemarkt dürften sich darüber freuen, da sie höhere Renditen für ihr investiertes Kapital erhalten.
Gleichzeitig bedeuten höhere Renditen steigende Finanzierungskosten für den Staat, da sich langfristige Kapitalmarktzinsen an den 10-jährigen Anleihen orientieren. Mal sehen, ob bei den Verhandlungen neue Unsicherheiten auftauchen und Turbulenzen auslösen.
Rendite 10-jähriger Bundesanleihen im Tageschart. Quelle: eToro, TradingView
Verteidigungssektor überkauft
Die Aktien europäischer Verteidigungskonzerne haben eines gemeinsam: Sie sind kurzfristig überkauft – einige mehr als andere. Eine Analyse des RSI-Indikators im Wochenchart zeigt, dass Werte wie Rheinmetall, Hensoldt, BAE Systems, Safran, Thales, Dassault Aviation, Leonardo, Kongsberg und Saab AB technisch überhitzt sind.
Die Kursbewegungen sind teils extrem, mit massiven Aufwärtslücken im Chart – ein klares Zeichen für die hohe Nachfrage und spekulatives Interesse. Doch die plötzliche Euphorie hat einen fundamentalen Auslöser: Europa steht vor einem historischen Kurswechsel.
Der Markt hat bereits viel Optimismus eingepreist, was sich in der starken Rally widerspiegelt. Trotz der kurzfristigen Überbewertung bleibt der langfristige Wachstumstrend intakt, denn die erhöhten Militärausgaben werden über Jahre hinweg bleiben. Doch in dieser Marktphase wird taktisches Timing für Anleger entscheidend.
Auch fundamental wirken viele Rüstungskonzerne aktuell hoch bewertet. Doch das liegt daran, dass sich die bisherigen Gewinnerwartungen noch nicht an die neue Realität angepasst haben. Sobald Unternehmen und Analysten ihre Prognosen nach oben korrigieren, könnte sich das Bild deutlich verändern. Ein erster Hinweis könnte schon am Mittwoch mit den Quartalszahlen von Rheinmetall folgen.
Trotz des europäischen Kurswechsels bleibt ungewiss, wie die Milliarden verteilt werden und welche Unternehmen am meisten profitieren. Klar ist: Europa will sich unabhängiger von den USA machen, doch ein erheblicher Teil der Gelder wird dennoch bei US-Rüstungskonzernen landen. Deshalb gehören auch Raytheon Technologies, Honeywell und Lockheed Martin auf die Watchlist.
Vorsichtiger Optimismus
Die geplanten Milliardeninvestitionen in Verteidigung und Infrastruktur könnten Europas Wirtschaft ankurbeln, doch die steigende Verschuldung birgt langfristige Risiken. Die Märkte haben den Schuldenboom teilweise eingepreist, doch Unsicherheiten bleiben. Entscheidend wird sein, wie die Milliarden verteilt werden, falls die Fonds genehmigt werden.
Anleger sollten die politischen Verhandlungen in Deutschland genau verfolgen. Sie werden darüber entscheiden, ob der Rüstungssektor weiter floriert und sich der Optimismus möglicherweise auch auf die Bereiche Bau, Infrastruktur und erneuerbare Energien ausweitet.
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