Berichtssaison statt Spekulation: Direkte Einblicke in die Autobranche

Der weltweite Automarkt steht unter Dauerstress. Die US-Zollpolitik hat die Branche verunsichert, und ihr weiterer Kurs ist ungewiss. Wer an den Finanzmärkten investiert, sollte jedoch nicht auf eine Form von Klarheit hoffen, die möglicherweise nie eintreten wird.

Warum die Berichtssaison jetzt zählt

Wirtschaftsdaten sind im aktuellen Umfeld weniger aussagekräftig, da die Auswirkungen der Zölle sich erst noch zeigen werden. Trotzdem ist die Berichtssaison wichtiger denn je.

Unternehmen geben Ausblicke auf die kommenden Quartale. Wir erhalten also direktes Feedback aus der Realwirtschaft. Anleger sollten diese Einschätzungen nutzen, um die Situation rund um die Zölle besser zu verstehen.

Tesla hat bereits Zahlen vorgelegt. Trotz schwacher Ergebnisse ist es Elon Musk gelungen, wieder Vertrauen aufzubauen. Er kündigte an, sich ab Mai deutlich aus der Zusammenarbeit mit der US-Regierung zurückzuziehen. Die Aktie stieg am Mittwoch um über 6 Prozent (siehe Chart).

Die Berichtssaison nimmt nun auch für die Autobauer an Fahrt auf. Nächste Woche folgen General Motors und Mercedes-Benz, in der Woche darauf unter anderem Ford und Rivian.

Tesla im Tageschart. Quelle: eToro

Autobauer im politischen Kreuzfeuer

Der weltweite Automarkt durchläuft derzeit einen Strukturwandel, und wir sind mittendrin. Mercedes-Chef Ola Källenius sprach auf Chinas größter Automesse von der größten Branchenkomplexität seit über 30 Jahren.

Unter der Trump-Regierung ist der Markt stark politisiert worden. Die Autobauer haben darauf nur begrenzt Einfluss. Viel entscheidender ist, wie sie strategisch auf US-Zölle reagieren, um die Auswirkungen abzufedern. Nicht jeder Hersteller ist gleichermaßen betroffen. Aber selbst die US-amerikanischen Autobauer bleiben davon nicht verschont.

Über Jahrzehnte hinweg wurden die Lieferketten optimiert. Heute sind sie komplex und global aufgebaut. Ford verfügt zwar über eine große Fertigungsbasis in den USA, importiert jedoch viele Bauteile. General Motors ist stark international aufgestellt, insbesondere in China. Zölle auf Bauteile sowie Gegenzölle auf US-Exporte könnten GM spürbar treffen.

Die Folgen von Zöllen sind nicht nur höhere Preise oder geringere Margen, sondern potenziell auch weniger Umsatz und weniger Auswahl für die Kunden. Insgesamt könnte sich das Ganze als Rückschritt erweisen, wenn kein aktives Gegensteuern erfolgt.

Es könnte Monate oder sogar Jahre dauern, bis neue Handelsabkommen unterzeichnet und umgesetzt werden. Ob es überhaupt dazu kommt und ob dieser protektionistische Kurs auch nach einer zweiten Trump-Amtszeit Bestand hat, ist völlig offen. 

Für die Autobauer ist jedoch die langfristige Perspektive entscheidend. Der Bau einer neuen Fabrik in den USA würde vermutlich so lange dauern, dass Trump zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr Präsident wäre.

Aus Sicht der deutschen Industrie

Chinesische Autobauer haben den heimischen Markt erobert und dabei deutsche Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz verdrängt. Sie punkten mit günstigeren Preisen, innovativer Technik und einem starken Fokus auf Infotainment und Konnektivität.

BYD setzt inzwischen verstärkt auf Expansion nach Europa. Die Marke ist vielen mittlerweile durch ihre Präsenz bei der Fußball-EM oder über Showrooms bekannt. Gemessen an dieser Markenbekanntheit sind die Verkaufszahlen in Deutschland jedoch enttäuschend. 

Im Jahr 2024 verkaufte BYD in Deutschland lediglich 2.891 Elektroautos. Das entspricht einem Marktanteil von nur 0,1 Prozent. Das könnte an zwei Faktoren liegen: Zum einen bevorzugen viele deutsche Autofahrer weiterhin heimische Marken. Zum anderen ist BYD noch relativ neu auf dem deutschen Markt, was zu einer gewissen Skepsis führt.

In der Psychologie spricht man hier vom Vertrautheitsbias. Viele Menschen entscheiden sich immer wieder für dieselbe Marke, weil sie damit gute Erfahrungen gemacht haben. Selbst wenn andere Fahrzeuge günstiger, innovativer oder besser ausgestattet sind. Vertrautheit schlägt in diesem Fall die objektive Bewertung. Das verschafft den deutschen Autobauern einen Vorteil oder zumindest Zeit.

Auch das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer spielt eine Rolle. In Deutschland liegt es seit mehreren Jahren über 50 Jahren, während es in China bei etwa 35 Jahren liegt.

Die jüngeren Käufer in China sind besonders technikaffin und legen großen Wert auf digitale Konnektivität und moderne Fahrzeugfunktionen. Das erklärt auch, warum chinesische Hersteller ihren Innovationsfokus stärker auf Software, Displaytechnologie und Benutzererlebnis legen.

Bewertungscheck

Ein Blick auf die Bewertungen großer Automarken zeigt deutliche Unterschiede. Insbesondere zwischen etablierten Herstellern und neuen E-Auto-Anbietern. Tesla, BYD und Xiaomi sind höher bewertet. Anleger zahlen einen deutlichen Aufpreis in Bezug auf die erwarteten Gewinne.

Traditionelle Hersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW, Ford und General Motors sind deutlich niedriger bewertet. Teils aus Sorge vor einer langsamen Transformation oder rückläufigen Marktanteilen.

Volkswagen und General Motors weisen die niedrigsten Bewertungen auf, was auf besonders große strukturelle Probleme hindeuten könnte.

Höhere Bewertung bedeutet meist hohe Erwartungen, niedrigere Bewertung hingegen oft ein erhöhtes Risiko. Anleger sollten beide Seiten sorgfältig abwägen.

Das US-Exposure ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Volkswagen und Mercedes-Benz erzielen einen geringeren Umsatzanteil in den USA als BMW. Ein Nachteil in Zeiten geopolitischer Spannungen und möglicher Zölle.

 

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