Greenwashing drängt ESG-Kriterien in den Hintergrund: Kleinanleger wenden sich ab

  • 44 Prozent der Kleinanleger ziehen es vor, ESG-Faktoren nicht zu berücksichtigen, während die andere Hälfte (22 Prozent) bewusst darauf achtet.
  • Unter denen, die ESG ignorieren, gibt eine signifikante Anzahl (17 Prozent) an, dass sie dies früher berücksichtigt haben.
  • Die Hauptgründe für das Abwenden von ESG sind das häufige Greenwashing (33 Prozent) und die Präferenz für starke Renditen gegenüber ESG-Kriterien (29 Prozent).

9. Juli 2024 Laut den neuesten Daten des Retail Investor Beat (RIB) von der Trading- und Investmentplattform eToro ignorieren deutsche Privatanleger ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) eher, anstatt sie bei ihren Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. Der RIB-Bericht basiert auf einer Befragung durch das Marktforschungsunternehmen Opinium.

In einer Befragung von 6.000 Kleinanlegern aus Deutschland gaben lediglich 22 Prozent an, dass sie stets ESG-Faktoren berücksichtigen, bevor sie in ein Anlageobjekt investieren. Gerade doppelt so viele (44 Prozent) äußerten das Gegenteil, wobei ein erheblicher Anteil (17 Prozent) dieser Gruppe sich von ESG abgewendet hat, nachdem sie es zuvor priorisiert hatten. Weitere 26 Prozent gaben an, dass sie ESG nur dann in Betracht ziehen, wenn ihre Investitionen gut laufen.

In den letzten Jahren hat das ESG-Investieren aufgrund von Greenwashing-Vorwürfen und der falschen Kennzeichnung von ESG-Fonds stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Laut den neuesten Erkenntnissen des RIB hat dies das Anlageverhalten vieler Privatanleger nachhaltig beeinflusst. Auf die Frage, warum sie ESG-Faktoren nicht in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen, nannten die Befragten am häufigsten (33 Prozent) das weitverbreitete Greenwashing. An zweiter Stelle steht die Präferenz für starke Renditen gegenüber ESG-Kriterien (29 Prozent). 

Die Studie hat auch gezeigt, dass die Performance von Anlagen mit ESG-Kennzeichnung ein Problem darstellt, da der größte ESG-Fonds der Welt im letzten Jahr hinter dem S&P 500 zurückgeblieben ist. Diese Unterperformance ist bei Privatanlegern nicht unbeachtet geblieben – der häufigste Grund, ESG zu ignorieren, war, dass Anleger sich stärker auf Renditen konzentrierten.

Kommentierend zu den Daten äußert sich eToro-Analyst Sam North:Das Interesse der Investoren an ESG-Investitionen ist seit den boomenden Zeiten von 2021 stark gesunken. Die Zuflüsse in die nachhaltige Fondsbranche sind von über 100 Milliarden Dollar pro Quartal auf nahezu Null gesunken, während die Anzahl neuer Fondseinführungen von über 300 pro Quartal damals auf unter 100 gesunken ist.“

„Ein zentraler Faktor hierbei war die Underperformance. Der Parnassus Core Equity Fonds, mit einem Vermögen von 29 Milliarden Dollar der größte in der ESG-Welt, lag im letzten Jahr 5 Prozent hinter dem S&P 500 zurück und in den letzten drei Jahren um 2 Prozent. Besonders stark betroffen war der Bereich der Elektrofahrzeuge und erneuerbaren Energien. So haben Unternehmen wie das Elektrofahrzeug-Vorzeigeunternehmen Tesla und der führende ETF für saubere Energien, iShares Global Clean Energy (ICLN), seit ihren Höchstständen im Jahr 2021 jeweils mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren“

Die Ergebnisse zeigen, dass nur 20 Prozent der über 55-Jährigen und der Altersgruppe der 35 – 44-Jährigen immer ESG-Faktoren in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen. Im Gegensatz dazu betrachten 25 Prozent der Investoren aus der Altersgruppe 18 – 34 Jahre regelmäßig ESG-Kriterien. Allerdings hat etwa die Hälfte dieser jüngeren Gruppe (22 Prozent) früher ein höheres Interesse an ESG gezeigt, das nun nachgelassen hat.

In der Studie wurden Investoren, die ESG-Faktoren berücksichtigen, gefragt, welcher Buchstabe ihrer Meinung nach am wichtigsten sei – E, S oder G. Umweltfaktoren wurden deutlich am häufigsten genannt, wobei 36 Prozent „E“ priorisieren. Danach folgten soziale Faktoren mit 23 Prozent und dann Governance-Faktoren mit 12 Prozent. 28 Prozent gaben an, dass alle gleich wichtig seien.. 

North fügt hinzu: „Während Institutionen möglicherweise denken, dass Governance-Fragen für ihre Aktionäre an erster Stelle der Prioritätenliste stehen, haben Umweltüberlegungen für die meisten ESG-bewussten Privatanleger in der Regel höchste Priorität. Eine Ausnahme bilden die Investoren der Altersgruppe 18 – 34 Jahre, für die soziale Fragen am wichtigsten sind – angesichts des aktuellen Fokus auf Unternehmen und deren Positionen zu sozialen und geopolitischen Themen ist dies möglicherweise nicht überraschend.“

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Hinweise für die Redaktion

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Über diesen Bericht:

Der aktuelle Retail Investor Beat basiert auf einer Umfrage unter 10.000 Privatanlegern in 12 Ländern und 3 Kontinenten. In den folgenden Ländern wurden 1.000 Personen befragt: Großbritannien, USA, Deutschland, Frankreich, Australien, Italien und Spanien. In den folgenden Ländern wurden 600 Personen befragt: Niederlande, Dänemark, Polen, Rumänien und die Tschechische Republik.

Die Umfrage wurde vom 15. Mai bis zum 5. Juni 2024 von dem Marktforschungsunternehmen Opinium durchgeführt. Kleinanleger wurden als selbstverwaltete oder beratene Anleger definiert und mussten mindestens ein Anlageprodukt besitzen, darunter Aktien, Anleihen, Fonds, Investment ISAs oder ähnliches. Sie brauchten keine eToro Nutzer zu sein.